Von Fabian Küble
Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen ließen sich in einer einzigen Schlagzeile gut zusammenfassen: Klatsche für den Westen – Die meisten Afghanen wollen offensichtlich lieber von der Taliban regiert, als von einer „westlichen“ Regierung.
Andere Völker wollen keinen Westlichen Universalismus
Der blitzartige Sieg der Taliban gegenüber dem vom Westen installierten, militärisch weit überlegen Regime, sollte alle Bürger im Westen nachdenklich stimmen. Offensichtlich wollen sich andere Völker, mit einer anderen kulturellen Prägung, nicht dem westlichen Verdikt „universalistischer“ Werte unterordnen. Diese sogenannten „westlichen Werte“ sind und bleiben ihnen fremd. Das imperialistische Narrativ der sogenannten „universalistischen Werte“ entpuppt sich einmal mehr als reine Luftnummer. Außerhalb unserer eigenen Grenzen entfaltet dieser Universalismus offenbar kaum Wirkkraft.
Was uns gut und richtig erscheinen mag, muss anderen Völkern und Nationen eben noch lange nicht vernünftig und erstrebenswert erscheinen. Und mit militärischen Interventionen und Regime-Changes wird man diese erst recht nicht überzeugen können. Jede nachhaltige Veränderung kann nur freiwillig, aus eigenem Antrieb, durch eigenen Erkenntnisgewinn und ohne fremden Zwang, aus dem jeweiligen Volk selbst heraus erfolgen.
Realitätsverlust und Dekadenz des Westens
Wer wissen will weshalb die Afghanen nicht bereit sind für die von den westlichen Besatzern aufoktroyierten „Werte“ zu kämpfen, sondern sich lieber der Taliban anschließen oder sich zumindest bereitwillig kampflos unterordnen, sollte sich nur einmal den ca. 2 Monate alten Twitter-Post (vom 02. Juni) der US-Botschaft in Kabul zum sogenannten „Pride-Month“ vor Augen führen. Gratismutig wurde da die Regenbogenfahne – die neue rote Fahne, das Symbol der neuen links-liberalen, westlich-globalistischen Internationalen – gepostet, inklusive einem propagandistischem Textchen zur „Buchstabensalat-Comunity“. Ein Post, der im Kontext der afghanischen Lage geradezu grotesk wirkt und den ganzen Realitätsverlust des Westens verdeutlicht. (1)
Es ist schon erstaunlich das die selben Liberalen, die sonst immer die Einheimischen penetrant zu „Kultursensibilität“ und Rücksichtnahme auf die „religiösen Gefühle“ jeder noch so bedeutungslosen Minderheit im eigenen Land ermahnen, eben jene Rücksichtnahme und Sensibilität gänzlich ignorieren, wenn es um die Propagierung und Zelebrierung ihrer eigene abstrusen Ideologie in fremden Ländern geht.
Denn gerade die islamisch, konservativ geprägte afghanische Gesellschaft kann mit dieser Fahne und allem wofür diese steht, der Ideologie und ihren westlichen Repräsentanten nun mal überhaupt gar nichts anfangen. Im Gegenteil stößt man damit die allermeisten erst recht ab und treibt sie, angewidert von der westlichen Dekadenz, geradezu in die Arme der Taliban. Diese erscheinen damit vielen Afghanen als vermeintliche Verteidiger der afghanischen Souveränität gegen die verkommenen westlichen Besatzer mit ihrem gegen die afghanische Kultur und Traditionen gerichteten Werte-Imperialismus.
„Westliche Werte“ als liberale Destruktion
Diese „Werte“ sind dem Rest der Welt eben völlig fremd. Wer nicht wie wir, einen jahrzehntelangen Prozess der inneren Auflösung und Unterminierung der eigenen Kultur, Tradition und Identität hinter sich hat, wird diese neuen westlichen „Werte“ auch niemals als erstrebenswert erachten.
Ohne diese Prozesse der liberalen Entgrenzung würde auch die hiesige Mehrheitsgesellschaft nach wie vor den Großteil dieser ideologischen Umtriebe ablehnen. So wie sie dies in Deutschland, Europa und „dem Westen“ bis vor wenigen Jahren oftmals selbst noch tat und dies in manchen Staaten des heutigen „Westens“, etwa in Polen oder Ungarn, noch immer tut.
Das einzige wofür man uns auch heute noch respektiert ist unsere wirtschaftliche Stärke, und diese rührt maßgeblich noch aus besseren Zeiten. Heute zehren wir größtenteils von der Substanz. Durch den öffentlich zur Schau gestellten Selbsthass, die Selbstdesavouierung und den Kulturrelativismus, durch Dekadenzerscheinungen wie BLM, Regenbogen und Bilderstürmerei, einem Minderheitsfetischismus, einem Kult des Abnormen und die Glorifizierung der Schwäche, den Hass auf alles Bestehende, Bewährte und Traditionelle, durch all das wirkt der sogenannte „Westen“ in der Welt längst nicht mehr als leuchtendes Vorbild und nachzueiferndes Ideal. Im Gegenteil, damit wirkt er auf die meisten Länder nur noch als abstoßendes Negativbeispiel.
Wir demonstrieren momentan beeindruckend erschütternd, wozu ein „anything-goes“ Liberalismus, ein die natürlichen Bindungen und Strukturen auflösender Dekonstruktivismus, ein die bewährten Normen und Werte zerstörender Nihilismus, wozu Identitätsverlust und Kulturverfall, wozu übersteigerte Gesinnungsethik, zügelloses Gutmenschentum und vorgebliche Moralität auf Kosten der Vernunft und der Wahrung objektiver Interessen, ergo wozu die sogenannten „westlich-liberalen Werte“ führen.
Gefahr für die Demokratie
Freiheit und Demokratie sind auch ohne derartige Selbstschädigungen möglich, ja vermutlich sogar noch effizienter und nachhaltiger. Immerhin erleben wir seit dem erstarken dieser links-liberalen Ideologie ein sukzessiver Verfall demokratischer und rechtsstaatlicher Standards, sowie die Aushöhlung der Neutralität des Staates, welcher immer schamloser in den Dienst dieser Ideologie gestellt wird. Als unhintergehbar geglaubte Selbstverständlichkeiten werden abgeräumt und was bis vor kurzem noch als ausgeschlossen und offensichtlich rechts- und sittenwidrig galt, wird morgen schon zur neuen, modernen Normalität.
Der Staatsrechtler und ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde prägte einst das Diktum „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“. Die aktuelle bei uns im Westen vorherrschende links-liberal-globalistische Ideologie untergräbt diese Voraussetzungen jedoch auch noch aktiv und setzt damit vorsätzlich Demokratie, Rechtssaat und am Ende auch unsere Freiheit aufs Spiel.
Westlicher Universalismus als imperialistische Aggression
Darüber hinaus entfalten die sogenannten „universalistischen, westlichen Werte“ stets einen imperialistischen Drang und wirken übergriffig und herablassend gegenüber anderen Kulturen und Wertvorstellungen. Direkte Folge dieser Geisteshaltung sind ständige Einmischungen und das Hineinregieren in fremde Angelegenheiten, bis hin zu Aggressionen durch Sanktionen oder gar direkte Interventionen. So können wir in allen Weltregionen beobachten, wie durch westliche Belehrungen, Sanktionsregime und militärische Interventionen inklusive Regime-Change und State-Building-Missionen Konflikte geschaffen werden, die auch unter humanitären Aspekten in ihrer Konsequenz meist verheerender sind als die ursprünglichen Probleme. Afghanistan, Irak, Libyen, sind nur einige traurige Beispiele hierfür.
Letztlich muss eine solche universalistische Ideologie mit weltweitem moralischem Absolutheitsanspruch in ihrer Konsequenz immer zu Unfrieden, Konflikten und Kriegstreiberei führen. Ein freundlich-distanziertes Verhältnis auf Basis des Grundsatzes von „leben und leben lassen“, eine auf rein rationalen Interessenlagen basierende internationale Beziehung, ein Verzicht auf Einmischungen in anderen Weltregionen, ist mit solch einer Ideologie kaum möglich. Ohne an dieser Stelle genauer darauf eingehen zu wollen, sei hierbei nur an das Konzept des Interventionsverbotes raumfremder Mächte, als gangbare Alternative einer friedfertigen, Interessen-geleiteten Außenpolitik, zur vorherrschenden Praxis „Werte“-geleiteter westlicher Interventionspolitik genannt.
Fazit
Die restliche Welt scheint sich dem westlichen Gesellschafts- und Fortschrittsmodell weitestgehend zu widersetzen. Was unsere Regierungen als Ideal anpreisen, erscheint den meisten als Dystopie. Während die westlichen Gesellschaften selbst aktuell daran zu zerbrechen drohen, erstarken anderswo Staaten und Bewegungen die sich explizit davon abgrenzen. Es bahnt sich ein Epochenwechsel an: das liberale Zeitalter geht zu neige; der westliche Stern ist im Sinken begriffen. Es wäre daher auch den europäischen Zivilisationen angeraten, sich von diesen globalistisch-westlichen Werten zu verabschieden, da sich diese als historischer Irrtum erwiesen haben. Auch und gerade um unsere Freiheit, die Volkssouveränität und unsere deutsche und europäische Art zu leben zu schützen. Aber auch den internationalen Beziehungen und dem friedlichen Miteinander in einer multipolaren Welt kann eine Abkehr vom westlichen Werte-Imperialismus nur zuträglich sein.
Wir müssen daher zu unseren europäischen und nationalen Wurzeln, zu dem was uns über die Jahrhunderte stark und erfolgreich gemacht hat zurückkehren, und die links-liberale, geistig-ideologische Verwahrlosung sowie die daraus resultierende Dekadenz überwinden. Ansonsten bauen wir noch mehr ab, verlieren noch mehr Substanz, verspielen unsere Zukunftsfähigkeit, schaffen noch mehr Konflikte und erleben noch viele weitere „Afghanistans“. Eines Tages dann vielleicht irgendwann sogar im eigenen Land. Dies zu verhindern ist unsere Aufgabe.
(1) https://twitter.com/USEmbassyKabul/status/1400060130243362816