November 2, 2021

Die Bundestagswahl 2021 und ihre Lehren

Von Alexander Wiesner & Fabian Küble

Vorbetrachtung

Die Bundestagswahl am 26.09.2021 in Deutschland zeigt schwere Schwächen in der Strategie des Wahlkampfes, genauso wie die Zerrissenheit innerhalb unseres Landes. In Gesprächen mit Bürgern, vor, während und nach dem Wahlkampf, waren es immer die gleichen Punkte, welche als Kritik an der Partei angesprochen worden sind:  Zerrissenheit nach außen, das unprofessionelle Auftreten der Partei, einiger Kandidaten und das teilweise patzige Verhalten in Talkshows. Wenn wir als Bewegung in den nächsten Jahren Erfolg haben wollen, dann müssen wir uns einer Selbstkritik unterziehen – und die daraus resultierenden Erkenntnisse auch beherzigen.

Wählerwanderung

Eine kurze Auswertung zur Wählerwanderung, insbesondere im Zusammenhang mit den im Wahlkampf angesprochenen Themen, ist hier von evidenter Wichtigkeit. Folgende Themen waren laut Nachwahlbefragung für die Bundesbürger besonders wahlentscheidend:

Soziale Sicherheit (28%); Umwelt/ Klima (22%); Wirtschaft/ Arbeit (22%); Umgang mit Corona (7%).

Interessant dabei ist, dass die AfD für die Themen Zuwanderung (40%), Umgang mit Corona (18%), Soziale Sicherheit (17%), Wirtschaft/ Arbeit (11%) gewählt wurde. Bei jeder anderen Partei stehen die Themen „Wirtschaft/ Arbeit“ und „Soziale Sicherheit“ mindestens unter den ersten zwei Themen, warum diese von den Wählern gewählt worden sind. Bei der AfD stehen genau diese Themen eben auf Platz 3 und 4. Sehen wir uns die Wählerwandung in Zahlen an, stellen wir fest, dass wir die meisten Wähler gerade an die SPD (260.000) verloren haben! Da liegt der Schluss nahe, dass die AfD im Wahlkampf zur BTW 2021 neben unseren Hauptthemen genau das Thema „Soziales“ vernachlässigt hat. Zumindest sind wir damit nicht bis zu den Bürgern durchgedrungen! „Sozial ohne rot zu werden!“ war einmal ein Slogan der AfD, welchen wir heute umso mehr aufgreifen sollten. Gerade die Corona-Krise schafft Verwerfungen genau bei den sozial schwachen Schichten. Warum haben wir diese nicht erreicht? Diese Frage muss beantwortet werden! Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass innerhalb des Themenkomplexes „Soziales“ vor allem das Thema Rente für viele ein wahlentscheidendes Thema darstellte. Davon konnte maßgeblich die SPD profitieren. Wir sollten uns dringend fragen, weshalb wir hingegen gar nicht davon profitieren konnten, sondern sogar viele Rentner an die SPD verloren haben und das, obwohl wir erst vor weniger als einem Jahr in Kalkar unser Sozialprogramm beschlossen haben, in welchem die Rentenfrage der wichtigste Aspekt war. Es steht zu befürchten, dass die positiven Beschlüsse aufgrund von Meuthens Anti-AfD Rede untergegangen sind und gleichzeitig bei vielen Bürgern nach wie vor die Mär in Erinnerung geblieben ist, die AfD wolle die Rente abschaffen, da Meuthen jahrelang öffentlichkeitswirksam dafür geworben hatte.

Weitere 210.000 Wähler haben wir bundesweit an die FDP verloren. Viele dieser Wähler dürften wohl deshalb von uns zur FDP gewechselt sein, weil sie glaubten damit einerseits irgendwie rot-rot-grün verhindern zu können und andererseits schwarz-gelb in einer potenziellen Jamaika-Koalition gegenüber den Grünen zu stärken. Gleichzeitig scheint die FDP von vielen politisch weniger Gebildeten doch noch als gewisse Alternative zu den übrigen Linksparteien wahrgenommen worden sein. Die sich nun abzeichnende Koalition mit Grünen und SPD wird hoffentlich diese Wähler wieder zu uns zurücktreiben. Trotzdem müssen wir weiter und offensiver wirtschaftliche Themen bedienen. Gerade angesichts der sich stetig verschärfenden Regulierungswut der Klima-Apokalyptiker.

Insbesondere für Sachsen müssen wir uns fragen, welchen Einfluss Kleinstparteien, insbesondere „Freie Wähler“, „Die Basis“, im Wahlkampf genommen haben. Bundesweit haben diese „sonstigen Parteien“ uns 180.000 Stimmen gekostet.
Dazu sollten wir uns vor allem folgende Fragen stellen:

1. Welche Themen haben diese Parteien angesprochen?

2. Welche dieser Themen hat die AfD auch im Wahlprogramm?

3. Wurden diese Themen von uns angesprochen? Wenn ja, warum haben wir die Wähler nicht erreicht?

Auswertung der Themenauswahl

Von dem bisher dargelegten ausgehend, sollten wir unsere Wahlkampfstrategie überdenken. Dazu einige Gedanken und Fragen:

1. Gab es eine Differenzierung der Themen zwischen Ost und West, sowie zwischen Stadt und Land?
2. Gab es eine differenzierte Ansprache der Wählergruppen?
3. Ist es uns gelungen unseren programmatisch-weltanschaulichen Markenkern klar herauszustellen und alle anderen Themen klug mit diesem zu verbinden?

… Wenn ja, wie wurden diese umgesetzt? Wenn nein, warum nicht?

Gerade diese Differenzierung sollte unserer Meinung nach zwingend erfolgen. Themen, welche in dem einem Teil der Republik relevant sind, müssen dies nun mal nicht in den anderen Gebieten sein.

Professionalisierung

Wenn wir als Reformpartei für Deutschland weiter erfolgreich sein wollen, müssen wir uns weiterentwickeln. Dazu gehört der weitere Aufbau von Strukturen, die Professionalisierung und eben auch die kritische Auseinandersetzung mit Ergebnissen. Wir sollten unsere Themenauswahl bei Wahlen stets auf unsere Wähler und Wählergruppen anpassen:

„Man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf den Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt fragen und denselbigen aufs Maul sehen, wie sie reden und danach dolmetschen, so verstehen sie es dann und merken, dass man Deutsch mit ihnen redet.“

So sprach bereits vor 500 Jahren einer der bekanntesten Deutschen, Martin Luther. Wir brauchen in den Großstädten, gerade im Osten, mehr soziale Themen im Wahlkampf! Hier liegen unsere besten Chancen. Die Linke verliert ihr Profil, wird zerrieben zwischen Grünen und der SPD. Sie ist nicht mehr die Partei der einfachen Leute, der Arbeiter, der Kumpels; wohl aber die der Genossen. Lasst uns dort unser soziales Profil nachschärfen. Gehen wir zu den einfachen, normalen Bürgern und hören wir hin! Gerade auf dem Land können und sollten wir weiterhin harte, kernige Forderungen und Sprüche anbringen und mit einer einfachen und verständlichen Sprache sprechen, welche Emotionen weckt, dann folgen die Inhalte.

Für unsere zukünftigen Mandatsträger brauchen wir Vorbereitungskurse! Von parlamentarischer Arbeit über Rhetorik bis hin zu Medienkompetenz und Personalführung. Jeder Abgeordnete ist auch eine Führungskraft – als diese müssen wir sie auch schulen!

Für ganz Deutschland sollten wir uns auf maximal drei Kernthemen einigen und alle anderen Themen stets in diesem Zusammenhang behandeln:
1. Tradition, Identität, Leitkultur, Migration
2. Wirtschaftliche Freiheit
3. Soziales Zusammenleben

Sächsischer Wahlkampf

Mit gesunder Selbstkritik sollten wir auch auf unseren eignen Wahlkampf in Sachsen schauen. Mit einem Verlust von 2,4 Prozentpunkten haben wir einen Wählerrückgang von ca. 9 % gegenüber 2017 zu verzeichnen. Damit stehen wir in Sachsen zwar immer noch deutlich besser als die meisten andern Landesverbände da. Trotzdem ist dieser Wählerverlust kein Grund zur Freude, zumal Thüringen bspw. gezeigt hat, dass auch in der aktuellen Lage Zugewinne möglich sind. Während wir in Sachsen knapp 9% verloren haben, haben die Thüringer ca. 6% hinzugewonnen und liegen damit nur noch hauchdünn hinter Sachsen.

Was deutlich kritisiert werden muss ist, dass es nach wie vor keine zentrale Wahlkampfplanung und -organisation gab. Stattdessen hat man wieder einmal alles den Kreisverbänden überlassen, welche das mal mehr mal weniger gut gemeistert haben. Selbst die Wahl der Wahlplakate oblag den einzelnen Kreisverbänden. Dies ist unserer Ansicht nach, der völlig falsche Ansatz. Gute, erfolgreiche Wahlkampagnen müssen generalstabsmäßig geplant und organisiert werden. Es kann nicht sein, dass jeder Kreisverband sein eigenes Süppchen kocht und dadurch ein uneinheitliches Bild und eine fehlende gemeinsame Linie entsteht. Der Landesverband sollte sich für eine gemeinsame Kampagne entscheiden und diese dann auch im gesamten Land einhellig übernommen und plakatiert werden. In diesem Wahlkampf war die Kampagne durch die Bundeskampagne vorgegeben, was in einem Bundestagswahlkampf natürlich auch absolut sinnvoll ist. Diese konnte man nun toll und gelungen finden oder auch nicht. Sicherlich kann man dazu unterschiedlicher Meinung sein. Trotzdem erscheint es sinnvoll, in einem Bundestagswahlkampf die gemeinsame Bundeskampagne zu unterstützen. Zumindest aber auf Landesebene hätte eine frühzeitige Festlegung erfolgen müssen. Wenn sich der Landesverband dann einmal dazu entschlossen hat diese Kampagne für sich zu übernehmen, dann hätte dies auch verbindlich für alle Kreisverbände entsprechend gelten müssen. Das stattdessen jeder Kreisverband für sich selbst entschieden hat, ob er die Bundeskampagne für sich übernimmt, oder alternativ etwas ganz Eigenes macht, vermittelte ein uneinheitliches und damit unprofessionelles Bild. Es sollten einheitliche Themenplakate, sowie einheitliche Vorlagen für die Kopfplakate existieren, die dann im ganzen Landesverband einheitlich Anwendung finden. Wenn jeder macht, was er will, was ihm gerade einfällt und was er gerade für eine brillante Idee hält, wenn von Kreis zu Kreis unterschiedliche Plakate in unterschiedlichen Layouts und in unterschiedlicher grafischer Gestaltung hängen, wirkt das unorganisiert, laienhaft und unprofessionell. So konnten wir vielleicht noch 2013 in unserem ersten Wahlkampf auftreten. Mittlerweile jedoch sollten wir ein Maß an Professionalität erreicht haben, welches nicht mehr ein solch anarchisches Kuddelmuddel vermittelt, sondern mit dem wir potenzielle Wähler davon überzeugen können, dass wir auch fähig wären dieses Land zu regieren.

Plädoyer für eine zentrale Wahlkampfplanung

Aus diesem Grund sollte für alle zukünftigen Wahlkämpfe auf Landesebene eine zentrale Wahlkampfkoordinierungsstelle eingerichtet werden, welche die zentralen Punkte des Wahlkampfes vorgibt und koordiniert. Es kann den Kreisverbänden nicht weiter freigestellt bleiben, ob sie sich an den gemeinsamen Kampagnen beteiligen. Alles Wesentliche sollte vom Landesverband vorgegeben werden. Den Kreisverbänden obliegt es dann, die gemeinsame Kampagne vor Ort möglichst effektiv und wirkmächtig umzusetzen. Wenn einzelne Kreise aus guten, wohlbegründeten Erwägungen heraus zu der gemeinsamen Kampagne noch eigene Plakate erstellen und aufhängen wollen – bspw. um ein für die Region besonders relevantes Thema aufzugreifen – so sollte dies zwar möglich sein, muss aber stets dem gemeinsamen Corporate Design der Wahlkampagne entsprechen und sollte im Vorfeld mit der für den Wahlkampf zuständigen Landesstelle abgesprochen und durch diese gebilligt werden. Schluss mit den Alleingängen!

Ähnlich verhält es sich bei der Durchführung von Kundgebungen. Zwar können und sollten die Kreisverbände selbstverständlich die konkrete Organisation von Veranstaltungen auf ihrem Gebiet selbst übernehmen, doch sollte auf Landesebene mindestens eine Großveranstaltung für jede Region und größere Stadt verpflichtend eingeplant und nötigenfalls durchgesetzt werden. Grundsätzlich sollten während des Wahlkampfes in jedem Gebiet gleich mehrere separate Veranstaltungen, Kundgebungen und größere öffentliche Aktionen stattfinden. Davon sollte mindestens eine Großkundgebung mit mehreren hochkarätigen Rednern und idealer Weiße den jeweiligen Spitzendkandidaten stattfinden. In diesem Wahlkampf gab es jedoch auch KVs, in welchen in der gesamten Wahlkampfzeit von Juli bis Ende September nur eine einzige größere, öffentliche Veranstaltung stattfand. Bei dieser haben dann teilweise ausschließlich die dortigen Direktkandidaten und einige Lokalpolitiker geredet. Keiner der beiden Spitzenkandidaten, und auch sonst niemand von überregionaler Bedeutung war anwesend. Diese Veranstaltung ohne hochkarätige Gäste wurde im Vorfeld auch nicht mit Plakaten breitenwirksam beworben. Entsprechend waren dann auch die Teilnehmerzahlen von Seiten der Bevölkerung. Für das AfD-Stammland Sachsen, für Dresden, die Landeshauptstadt, die Hauptstadt des Widerstandes, ist dies einfach viel zu wenig.

Dies lief noch 2019 zur Landtagswahl deutlich besser. Dort war die Hauptveranstaltung in Dresden bedeutend größer und konnte mit hochkarätigen, überregionalbekannten Rednern aufwarten. Gleichzeitig gab es auch bereits in den Wochen davor kleinere Veranstaltungen, es gab beinahe jeden Tag irgendwo im Stadtgebiet einen Infostand und auch die Anzahl der Plakate war beträchtlich höher. Der diesjährige Wahlkampf war hingegen wie mit angezogener Handbremse, wirkte oft plan- und führungslos und ließ insgesamt den unbedingten Willen zu einem großen Erfolg vermissen. Teilweise schien es, als ruhe man sich auf den zurückliegenden Erfolgen aus, betrachte Sachsen als „sichere Bank“, bei der man für den Erfolg nicht mehr ganz so viel machen müsse. Aber dies ist eben nicht so. 2019 hatten wir 27,5%, möglich wären hier ohne Zweifel über 30%, doch erreicht haben wir dieses Jahr nur 24,6 %. Die Verluste und die deutliche Verfehlung unseres eigentlich möglichen Potentials sind größtenteils selbstverschuldet. So selbstkritisch sollten wir sein. Nur so können wir die gemachten Fehler zukünftig vermeiden, uns verbessern, und damit erfolgreicher werden. Auch hier bei uns in Sachsen gilt: Erfolg muss man sich verdienen, geschenkt wird einem nichts im Leben!

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